In der Beurteilung der Fauna Madagaskars vom tiergeographischen Standpunkte stehen sich noch immer zwei Ansichten gegenüber. Die eine betrachtet die Rieseninsel als den Rest einer alten kontinentalen Landmasse, zu der früher auch Afrika und Südasien gehörten und deren damalige Tierwelt sich auf Madagaskar erhalten und selbständig weiterentwickelt habe. Die andere bestreitet jeden kontinentalen Zusammenhang Madagaskars und führt seine Landfauna ausschliesslich auf transmarine Zuwanderungen in verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit zurück. Ist nun die Zusammensetzung der gegenwärtigen Herpetofauna Madagaskars besser mit der ersten oder mit der zweiten Hypothese, die heute von vielen, wenn nicht den meisten namhaften Forschern vertreten wird, in Einklang zu bringen? Es ist seit langem bekannt, dass unter den madagassischen Reptilien nicht nur sehr viele in Afrika weit verbreitete Gattungen, sondern sogar Familien fehlen. Unter den letzteren sind zu nennen: Agamiden, Lacertiden, Varaniden, Amphisbaeniden, Leptotyphlopiden, Elapiden und Viperiden. Wahrscheinlich gehören auch Weichschildkröten (Trionychiden) dazu, obwohl im Küstengebiet des südlichen Madagaskar, und zwar in einer Madreporenhöhlung, ein kleiner Trionyx gefunden worden ist (Petit, 1936). Dafür sind unter den Eidechsen die afrikanischen Familien der Chamaeleoniden und Cordyliden (von diesen jedoch nur die Unterfamilie Gerrhosaurinae), sowie die in den wärmeren Teilen aller Kontinente lebenden Gekkoniden und Scinciden vertreten, die zumeist ebenfalls aus Afrika stammen und viele Endemismen, auch generischer Natur, entwickelt haben (Blanc, 1971). Letztere sind noch auffälliger unter Schlangen: mit Ausnahme von zwei