Die Königlich Zoologische Gesellschaft „Natura Artis Magistra”, deren Hundertjahrfeier wir diesen Sommer feiern, hat sich von Anfang an die Aufgabe gestellt, mehr als die Eigentümerin eines Gartens zu sein, in welchem mehr oder weniger seltene und kuriose Tiere für das Publikum zur Schau gestellt sind, und hat immer danach gestrebt, ein kulturelles und wissenschaftliches Zentrum in der Stadt ihrer Gründung darzustellen. Das Glück wahr ihr dabei hold: gelegen in der Mitte einer grossen, aber nicht zu grossen Stadt, gross genug, als Reichshaupt- und Universitätsstadt ein Kultur-Mittelpunkt des Landes zu sein, und andererseits doch wieder nicht so gross, dass dabei die einzelnen Institute im Ganzen verlorengehen, vermochte sie sich je länger je mehr mit Erfolg zu einem solchen kulturellen und gesellschaftlichen Zentrum zu entwickeln. Besonders seitdem 1877 das städtische Athenaeum zu einer Universität ausgebaut wurde, ist die Königlich Zoologische Gesellschaft durch enge Bande mit der universitären Zoologie verbunden: in der Mitte ihres Gartens liegt das Zoologische Institut der Universität, während daneben ein gemeinschaftlich der Universität und der Gesellschaft gehörendes Zoologisches Museum wissenschaftlich wertvolle Sammlungen enthält und eine an alten und seltenen Büchern reiche Bibliothek den holländischen Zoologen grosse Vorteile darbietet. Und als eine Besonderheit kommt noch hinzu, dass die Gesellschaft seit einiger Zeit auch ein Zentrum für einen speziellen Zweig der zoologischen Wissenschaft, nämlich die Tierpsychologie, bildet. Es wird einleuchten, class die Zoologischen Gärten berufen sind, eine wichtige Rolle zu spielen für die Entwicklung der Tierpsychologie. Die Tierpsychologie muss sich aus Beobachtungen des tierischen Verhaltens, sowohl in freien natürlichen Situationen als im zu einer bestimmten Fragestellung konstruierten Experiment aufbauen ¹). Tierpsychologische Beobachtungen in der freien Natur lassen sich jedoch hauptsächlich nur an niederen Tieren ausführen: bekannt sind die klassischen Beobachtungen, die FABRE in den zehn Teilen seiner „Souvenirs entomologiques” festgelegt hat, und die ebenso wichtigen Beobachtungen an Ameisen und Bienen der beiden HUBERS, FORELS, WHEELERS, u. a. Von den höheren Tieren sind es aber nur die Vögel, die in ihrem Freileben Anlass zu tierpsychologisch wichtigen Beobachtungen gegeben haben; von den amerikanischen Forschern, die Feldstudien an Affen gemacht haben, konnte eigentlich nur CARPENTER ²) durch glückliche Umstände Beobachtungen an Brüllaffen machen, welche die dafür aufgewandten Anstrengungen lohnten. Zur Ausfüllung dieser Lücke können nun Tiergärten mehr oder weniger helfen.