Die Frage nach das Wesen der tierischen Instinkte und ihrer Äusserungen ist wohl ohne Zweifel das Kernproblem der jungen Wissenschaft, die sich das Studium der tierischen Psyche zum Ziel gesetzt hat. Obwohl dieses schon mehrmals gesagt ist, und in allgemeinen auch wohl zugegeben wird, gibt es doch nur wenige Untersuchungen, die direkt auf dieses Problem gerichtet sind. Die Arbeiten auf tierpsychologischem Gebiete, so fern sie nicht in das Grenzgebiet der Physiologie der Sinnesorgane fallen, betreffen bei den niederen Tieren meistens das Lernvermögen und die Gewohnheitsbildungen, bei den höheren dazu noch die Intelligenzäusserungen, Fragen die natürlich äusserst wichtig sind, aber doch den Kern der tierischen Psyche nur in so weit berühren, als sowohl Intelligenzhandlung als Gewohnheitsbildung auf dem Boden des instinktieven Trieblebens aufgebaut sein muss. Nur die Arbeiten über die sogenannten Tropismen und verwandte Erscheinungen, besonders in so weit sie eine mechanistische Erklärung derselben ablehnen, und die Tropismen als durch äussere Faktoren (z. B. Licht oder Schwere) gerichtete Instinkthandlungen auffassen, können in den Rahmen der Instinktstudien aufgenommen werden, während die vielen Beobachtungen im freien Felde, die von einem Beobachter wie FABRE bis zum einfachen Schulbuben, der „Natursport” treibt, hinabreichen, uns zwar ein ungeheures Material über Instinktäusserungen geliefert haben, meistens aber zu weinig wissenschaftlich aufgefasst sind, und zu viel dem Zufall überlassen, um für exakte Instinktuntersuchungen viel Brauchbares liefern zu können. Eine Erklärung für diesen Mangel an solchen Untersuchungen ist nicht schwer zu geben. Zur natürlichen Entfaltung ihrer Instinkte bedürfen die Tiere einer für sie natürlichen Umgebung, die im Laboratorium meistens nicht leicht nachzuahmen ist. Die Beobachtungen im Felde dagegen erfordern viel Zeit und Glück, und das dabei so komplizierte Milieu eignet sich meistens wenig für Experimente. Und dazu sind die bekanntsten und anregendsten Instinkthandlungen der Insekten und Vögel zu kompliziert und auch zu spezialisiert, um noch Hoffnung zu geben, dass man durch experimenteller Eingriff viel an ihrem Ablauf änderen konnte, was doch für ein tieferes Verständnis derselben nötig wäre.