Das Verständnis des mikroskopischen Baues der Säugetierleber hat grosse Schwierigkeiten mit sich geführt schon von Anfang der Zeit an, wo die Technik weit genug fortgeschritten war um sich mit diesem Thema einzulassen. Die Art der Gallenkapillaren, die Struktur der Blutkapillaren, die Verbreitung der Lymphgefässe sind Probleme, die heute teils gelöst, teils noch Streitobjekte sind, die uns hier aber nicht beschäftigen sollen. In diesem Artikel soll nur auf die gegenseitige Lage von Leberzellen, Gallenkapillaren und Blutkapillaren geachtet werden. HERING (1867) ist wohl der erste gewesen, der bezüglich dieser Lage sich eine Vorstellung machte, die deutlich genug war, auch bei anderen, ja, selbst jahrelang allgemein Eingang zu finden. Diese Vorstellung wurde in einem Schema das BRAUS (1896, Fig. 1) publizierte und das auch in dem Handbuch von OPPEL (1900, Fig. 559) zu finden ist, in Bild gebracht, aber vor dieser Zeit wurde es scheinbar schon lange auf Vorlesungen an verschiedenen Universitäten den Studenten vorgezeichnet. HERING selbst (1867) gibt nur einen Teil dieses Schemas. Den Auffassungen HERING’S von dem Bau der Säugetierleber haften eine Menge ernste Fehler an, selbst wenn mann berücksichtigt, dass denselben im Besonderen der Bau der Nagetierleber zu Grunde liegt. BRAUS (1896) hat in einer aussergewöhnlich schönen Untersuchung, bei welcher auch niedere Vertebraten studiert wurden, diese Fehler grösstenteils ans Licht gebracht. Nach seiner Ansicht besteht die Leber der Vertebraten aus einem Netzwerk von mit einander anastomosierenden, aus Leberzellen bestehenden Leberröhrchen (bei Säugetieren, bei denen sie im Querdurchschnitt aus zwei Zellen bestehen Leberzellbalken genannt) deren Lumina die Gallenkapillaren sind und die mit einem Netzwerk von Blutkapillaren durcheinander verschlungen liegen. (Vergl. Fig. 3). BRAUS unterschied unter den Maschen des Netzwerks der Gallenkapillaren vasozonale und cytozonale Maschen. Im ersten Falle umschliesst ein Ring Gallenkapillaren eine Blutkapillare und ist dieser also gefässbegrenzend, vasozonal; im zweiten Fall ist die Masche enger zugezogen und umschliesst nur eine oder mehrere Leberzellen, sodass sie zellbegrenzend oder cytozonal ist. Der rein tubulöse Charakter der Leber ist dann hiermit schon verloren gegangen. Es gibt Tiere, wie der Aal, deren Leber beinahe ausschliesslich vasozonale Maschen enthält und dadurch lose gebaut ist, sodass die Struktur nicht schwer zu begreifen ist. Aber es gibt andere, bei denen das Vorkommen vieler cytozonaler Maschen der Leber einen compakteren, schwer zu entwirrenden Bau verleiht. Die Säugetiere im allgemeinen und unter ihnen hauptsächlich die Nagetiere gehören zu dieser Gruppe, es kommt zwar niemals so weit, dass, wie im Schema von HERING, alle Maschen von Gallenkapillaren cytozonal sind.