Den Wert von Bibliotheken, Archiven, Museen, Herbarien zu begreifen, ist nicht jedermann gegeben. Es gehört dazu eine gewisse belebende Phantasie, ein Sinn für Mannigfaltigkeit von Erscheinungen und eine Gabe, aus dem Vergleich verschiedener Dinge Einsicht zu schöpfen. Nicht alle Menschen haben diese drei, auch manche Botaniker nicht. Legt man solchen ein Herbarium vor, so wissen sie nichts damit anzufangen, sie fühlen sich eher abgestossen von den Pflanzenmumien, die sie erblicken. Haben sie das nötige Temperament, so erklären sie wohl frisch und frei, das ganze trockene Zeug sei nutzloser Plunder. Derartige Radikalen wird niemand umstimmen können, und es ist überflüssig, den Versuch dazu zu machen. Aber je nach Zeit und Ort wird ihre naive Kritik nachgesprochen und findet bei Urteilslosen Eingang. Wer die botanische Literatur kennt, weiss, wie oft solche Diffusion abfälliger Kritik stattgefunden hat und wie rhythmisch sie sich wiederholt. Grossen Schaden vermag sie dabei nicht anzurichten; im Gegenteil weckt sie Widerstand und löst Gegenkräfte aus, die einer gesunden Entwickelung der Herbarien förderlich sind. Denn sie hält die Selbstbesinnung darüber wach, welche Ziele dem Herbarium ganz allgemein gesteckt sind, und welche Aufgaben ihm aus dem jeweiligen Stande der botanischen Forschung erwachsen. Das Herbarium hat die Bestimmung, die Mannigfaltigkeit der Pflanzenformen uns möglichst vollständig zugänglich zu machen, weil wir sie in natura räumlich nicht übersehen können und auch in Zukunft niemals übersehen werden. Dieses Ziel ist von grösster Bedeutung und Wichtigkeit für den Menschen, sowohl theoretisch wie für die Praxis. Wir kommen ihm mit dem Herbarium näher als mit irgend welchen sonstigen Mitteln. Und dieser Umstand allein macht das Herbarium einfür allemal unersetzlich und unentbehrlich.