In April des vorigen Jahres hatte ich Gelegenheit die Typen Walker’s und Mac Lachlan’s im Britischen Museum genauer zu untersuchen und einiges über dieselben zu notiren. Diese Notizen will ich hier, zusammen mit der Beschreibung einiger neuen Formen aus verschiedenen Sammlungen (Berliner- und Leidener Museum und meiner Privatsammlung), veröffentlichen. Sie betreffen vornehmlich die asiatischen Arten, von welchen, u. a. von Fruhstorfer’s Reise in Tonkin, verschiedene, sehr charakteristische neue Species vorliegen. Bei der Beschreibung habe ich vor allem grossen Wert auf die Gonapophysen der ♂ ♂ gelegt und dieselben wo möglich abgebildet. Ich kann bis jetzt nur diese als ein wirklich gutes Unterscheidungsmerkmal verwenden, alle anderen, wie Körperfarbe, Flügelzeichnung und Nervatur variiren individuell und auch nach der Reife sehr stark, sodass sie nur selten als durchschlagende Merkmale verwendet werden können. In der 1903 erschienenen Arbeit von K. C. Davis »Sialididae of North- and South America” im N. Y. State Museum Bulletin 68, p. 442 etc., ist der Bau der Gonapophysen kaum erwähnt, sehr selten bei den verschiedenen Arten beschrieben und niemals abgebildet. Die anderen von ihm angegebenen Merkmale, wie die Anzahl der Queradern, vor allem zwischen den Radialsectoren, die Farbe der Flügel und Körperteile variiren so stark, dass man bei einer nicht sehr grossen Serie derselben Art manchmal viele Individuen findet, welche so stark davon abweichen, dass man geneigt ist dieselben nach seinen Beschreibungen zu ganz anderen Arten zu bringen. Ich weiss sehr gut, dass die amerikanischen Arten dieser Familie sehr schwierig zu unterscheiden sind, vor allem die Arten der Gattung Corydalis, aber Davis’ Beschreibungen bedürfen wirklich noch bedeutender Erweiterungen. Bis jetzt wurden sowohl die Sialiden als die Raphididen zu den Planipennia gerechnet. Ich glaube, dass diese Vereinigung unrichtig ist und beide Familien zusammen, wie die Mecaptera oder Panorpata, eine kleine selbstständige Ordnung bilden. Die Larven haben kauende Mundteile und keine Saugkiefer wie die der Planipennien, die Imagines sind prognath und in der Flügelnervatur sind Radius und Subcosta nicht fest mit einander an der Spitze verbunden, sondern getrennt, oder nur durch Queradern verbunden. Die Sialiden bilden die primitivere, die Raphididen die mehr specialisirte Familie. Erstere haben durch die freilebenden, carnivoren, aquatischen Larven und im Aufbau der Gonopoden der Imagines viel Uebereinstimmung mit den primitiveren Trichopteren (Rhyacophiliden), sodass ihre Wurzeln wahrscheinlich in einem geraeinsamen Stamme zu suchen sind. Die Sialiden stehen dann phylogenetisch viel niedriger als die viel höher specialisirten und sehr artenreichen Trichopteren.